R
rechtsanwalt rico maatz

 

 

STARTSEITE RECHTSGEBIETE ZUR PERSON KONTAKT IMPRESSUM

 

 

 

"(Straf)Verteidigung ist Kampf."
News
- Hans Dahs, Handbuch des
... im Straf- und Strafverfahrensrecht

Tatort Internet: Zum sog. "Cyber-Grooming"

Ziel der Sendung "Tatort: Internet" ist es eigentlich, eine rechtspolitische Diskussion über die Strafbarkeit des sog. "Cyber-Grooming" anzustoßen, um die hierunter verstandenen Verhaltensweisen unter Strafe zu stellen.

Auch wenn durch die Sendung das Phänomen des "Cyber-Grooming" weitgehend bekannt gemacht worden ist, kann es dieses Ziel nicht erreichen. Tatsächlich können die in der Sendung dargestellten Kontaktaufnahmen pädophiler Täter mit Kindern und Jugendlichen über Chats bereits jetzt strafrechtlich erfasst werden.

Gem. § 176 Abs. 4 Nr. 3 StGB wird "mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft, wer […] auf ein Kind durch Schriften einwirkt, um es zu sexuellen Handlungen zu bringen […]." Diese Regelung wurde gerade mit Blick auf das über die USA bekannt gewordene Phänomen durch das Gesetz zur Änderung der Vorschriften über die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung […] v. 27.12.2003 eingeführt. Der Gesetzgeber sah es ausdrücklich als erforderlich an, solche bisher im straflosen Vorfeld von Sexualdelikten liegende Handlungen in die Strafbarkeit zu überführen.

Obwohl der Wille des Gesetzgebers (BT-Drs. 15/350, S. 17 f.) hier ausnahmsweise einmal eindeutig ist, bleibt trotzdem offen, ob solche Verhaltensweisen von § 176 Abs. 4 Nr. 3 StGB erfasst werden können. Das problematische Merkmal sind die "Schriften", unter die gem. § 11 Abs. 3 StGB auch Datenspeicher fallen. Bereits nach einem laienhaften Verständnis fällt es schwer, eine Bildschirmdarstellung eines Kommunikationsvorganges mit einem Daten"speicher" gleichzusetzen. Nach der in der Rechtsprechung und Literatur vorherrschenden Meinung fallen gleichwohl auch nicht dauerhafte Speicher (Arbeitsspeicher) unter den Begriff des Datenspeichers, so dass auch bloße Bildschirmdarstellungen erfasst sind. Die Unterscheidung zwischen dem Datum selbst als Inhalt und dem Speicher als Verkörperung dieses Inhalts ist damit aufgehoben.

Systematisch überzeugt die Regelung ebenso wenig: Wird das Bestimmen eines Kindes zu sexuellen Handlungen an dem Täter oder Dritten durch Schriften von Abs. 4 Nr. 3 erfasst, entsteht ein nicht nachzuvollziehender Wertungswiderspruch. Die Bestimmung des Kindes zu sexuellen Handlungen an dem Täter selbst (im Gegensatz zu Dritten) wird nämlich außerhalb des Internet nicht als strafwürdig angesehen, vgl. § 176 Abs. 2 StGB. Was das gesteigerte Unrecht der Handlungsweise über das Internet im Vergleich zu ebensolchen Handlungen außerhalb des Internet sein soll, erschließt sich nicht. Das bloße Ausnutzen der vermeintlichen Anonymität kann es m.E. nicht sein.

Die Rechtsprechung wird damit aufgrund des weiten Datenspeicherbegriffs und des Gesetzgeberwillens das sog. "Cyber-Grooming" unter § 176 Abs. 4 Nr. 3 StGB fallen lassen.

Gesetz v. 27.12.2003, BGBl. I 2003 Nr. 67 v. 30.12.2003, S. 3007

BT-Drs. 15/350 (dort S. 17 f.)

<< Neuere | Ältere >>

FooterMaster
M R - Hans Dahs, Handbuch des